Montag, 4. Februar 2008

Gläserne Taschen für GmbH und GmbH & Co. KG

Alle ca. 700.000 meist mittelständischen deutschen GmbHs, wie auch neu betroffen beschränkt haftende Personenhandelsgesellschaften, also mindestens 100.000 GmbHs & Co. KGs, dürfen sich über neue Belastungen freuen. Nach den Beschlüssen von Bundestag am 16.12.1999 und Bundesrat am 4.2.2000 (BR-Drucks. 7/00 [Beschluß]) müssen sie künftig zwangsweise ihre Jahresabschlüsse veröffentlichen, und dies zur Einsicht von "Jedermann", also der Konkurrenz. Diese besteht aber nicht nur aus deutschen Großkonzernen, sondern lauert weltweit bis Fernost. Sichtbar wird, ob das Unternehmen mit attraktiven Nischenprodukten handelt, ein interessantes Übernahmeobjekt darstellt, oder schlichtweg, ob Zulieferpreise eines Mittelständlers nicht noch ein wenig gedrückt werden könnten.

Halali auf den Mittelstand erfüllt alten Gewerkschaftstraum:
Es mag der jetzigen Rot-Grünen-Bundesregierung die Entscheidung leichter gemacht haben, daß sie sich auf die EU berufen kann, wie auch auf den EuGH. Was vielen unbekannt sein wird, ist aber, daß in den 1970er Jahren bereits eine SPD-geführte Bundesregierung den Wunsch des deutschen Gewerkschaftsbundes nach umfassenden Zahlenmaterial über den Mittelstand für Tarifverhandlungen erfüllen wollte, sich aber dann politisch nicht durchsetzen konnte. Diese Arbeit hat dann Brüssel -- nicht ohne Querbeeinflussung -- abgenommen. Insofern wird auch ein Schuh daraus, daß Ausnahmen der EG-Richtlinie, die der Mittelstand hätte nutzen können, bewußt von der Bundesregierung jetzt geschlossen wurden, also wiederum zu beklagendes "Deutsches Übersoll". Während nach europäischem Recht eine GmbH & Co. KG, bei der jeweils weitere & Co. KGs stufenweise Gesellschafter sind (Mehrstöckige & Co. KG), publizitätsfrei geblieben wäre, genauso eine Genossenschaft oder Stiftung & Co. KG, so hat der deutsche Gesetzgeber alles "dicht" gemacht, als wenn er den Mittelstand einfach nicht mag, wobei dagegen das Argument, daß die meisten Arbeitsplätze im Mittelstand geschaffen werden, hier zu wiederholen wäre.

Modernes Unternehmensrecht unterscheidet zwischen Privatfinanzierung und Kapitalmarkt:

Hintergrund der sog. EU-Bilanzrichtlinien-Ergänzungsrichtlinie für GmbH & Co. KGs war der Gedanke, daß für AGs und GmbHs durch die Registerpublizität ein europäischer Wettbewerbsnachteil entstünde, der auf die deutsche GmbH & Co. KG übertragen werden müsse. Begründung war, daß "Publizität der Preis der beschränkten Haftung sei", eine damals schon widersinnige Formel, da Gläubigerschutz eher durch vernünftige Absicherung (z. B. Eigentumsvorbehalte etc.) als durch Publizität im Nachhinein zu bewerkstelligen ist. Mit einer großen Initiative im europäischen Parlament im Jahre 1978 hatte z. B. der Deutsche Industrie- und Handelstag (Hahn, EuZW 1990, 156 ff. und DStR 1991, 121 ff.) dagegen argumentiert: Wettbewerbsgleichheit kann nicht "Gleichschlechtstellung" bedeuten. Also Harmonisierung als Angleichung von Wettbewerbsnachteilen ist mißverstandener europäischer Binnenmarkt, wenn einfach schlichtweg ignoriert wird, daß es daneben den Weltmarkt gibt. Das europäische Parlament -- die demokratische Vertretung des Europabürgers -- hatte daher entschieden, daß kleine und mittelgroße private Gesellschaften publizitätsbefreit, bzw. erleichtert sein sollten. Dies geschah allerdings gegen die EU-Kommission, die sich bereits 1978 mit dem Ergebnis der Richtlinie von 1990 durchsetzte, dies gegen den Willen des mittelständischen Rechtsbetroffenen, wie auch internationale Handhabung.

Bei richtiger rechtlicher Einordnung ist doch zu unterscheiden, ob ein Unternehmen öffentliche Gelder aufnimmt, also sich wie eine AG an den Kapitalmarkt wendet, oder ob es sich um eine private Gesellschaft handelt. Hiernach haben sich Anleger- und Gläubigerschutzvorschriften differenziert zu richten. Der Existenzgründer finanziert sein Unternehmen selbst oder, was keinen Unterschied macht, verbürgt sich persönlich für Bankkredite. Nicht einzusehen ist daher, daß der private Unternehmer genauso seine Geschäftsidee und damit verbundene Finanzverhältnisse praktisch auf dem Tablett einer internationalen Konkurrenz servieren soll, wie eine Gesellschaft, die weltweit Anlegergelder aufnimmt.

Dies ist auch das Rechtsempfinden der Nation, die uns in Sachen Publizität Vorreiter ist. Die US-Bilanzierungsregeln (US-GAAP) sind hinsichtlich ihrer Veröffentlichung nicht nur für die internationalen Buchführungsregeln (International Accounting Standards, IAS) Vorbild. Sie sind sogar Benchmark für deutsche Bilanzierung, denken wir nur an das "Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz (KapAEG)" aus dem Jahre 1998. Für den so erfolgreichen Neuen Markt als weiteres Segment der Deutschen Börse ist es einfach selbstverstädlich, daß nach IAS oder US-GAAP publiziert wird und dies auch quartalsweise. Umgekehrt besteht ein bedeutender Unterschied: Private US-Gesellschaften müssen nicht veröffentlichen und dies gilt auch für Asien, namentlich Japan.

Der EU müßte doch einsichtig werden, daß gerade der Mittelstand von Spanien bis Finnland genauso mit den "Global Players" in Fernost und USA konkurriert und daher auch gleicher Regeln bedarf wie in dieser Ländern. Warum ausgerechnet die EU die privatfinanzierte GmbH und GmbH & Co. KG oder auch die "Kleine AG" der am Kapitalmarkt präsenten AG hinsichtlich der Publizität gleichstellt, wird nie nachvollziehbar sein. Zu Recht hat im Hinblick auf die internationale Rechtslage der deutsche Mittelstand seit 1978 die Veröffentlichung von GmbH-Abschlüssen verweigert, dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer Unterstützung durch Wirtschaftsverbände und Tolerierung durch die letzte Bundesregierung, die allerdings über das Hinterlegungserzwingungsverfahren nach bisherigem Rechtsverständnis strikten Arbeitnehmer- und Gläubigerschutz gewahrt hat. Denn die Gleichstellung in der Belastung innerhalb der Gemeinschaft zwischen AG und GmbH und jetzt auch GmbH & Co. KG, bleibt vor dem Hintergrund der internationalen Wettbewerbssituation mit der doch konträren Entscheidung der Gesetzgeber in den USA oder Japan zum Schutz der privaten Gesellschaft unverständlich.


http://www.gmbhr.de/frueher/05_00/blickp_05_00.htm

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